Mein erster eigener Fernseher Eine Liebeserklärung an ein kleines TV-Gerät

Er war ein treuer Begleiter, hat mich viele Stunden unterhalten und mich im Herbst seines Lebens auch auf etliche Videospielveranstaltungen begleitet. Aber auch an ihm nagte der Zahn der Zeit und der Ende seines Lebenszyklus ist erreicht. Doch was bleibt, sind viele schöne Erinnerungen.

Was heute dank Tablets, Handys & Co. kaum noch ein Thema sein dürfte, war damals noch sehr präsent: Der Traum von einem eigenen Fernseher im eigenen Zimmer. Endlich unabhängig von den restlichen Familienmitgliedern selber das Programm aussuchen, endlich zocken zu können, ohne dass jemand plötzlich Anspruch auf das TV-Gerät erhebt – die Gedanken daran waren zu schön um wahr zu sein. Ich kann nicht mehr genau sagen wann es war, aber es dürfte gegen Ende der 90er gewesen sein, als dieser Traum für mich tatsächlich Realität zu werden schien. Im Melectronics, einem Multimedia-Geschäft der Migros, gab es einen kleinen schnuckligen Fernseher zu einem Schnäppchenpreis von ca. CHF 200.-, sofern ich mich richtig daran erinnere. Zusammen mit meinem Vater – der meinem Vorhaben zustimmte – fuhr ich nach Widnau und nahm dort direkt Kurs auf das in der Migros-Filiale integrierte Melectronics-Geschäft. Es dauerte nicht lange und ich sass mit einem breiten Grinsen und einem üppigen Karton im Kofferraum im Auto.

Zu Hause angekommen wurde das gute Stück ausgepackt und direkt mal eingesteckt. Doch ganz verwundert stellte ich fest, dass die angepriesene Videotext-Funktion fehlte – mit ein Grund, weshalb ich mich überhaupt für dieses Exemplar entschied. Mein Vater rief direkt nochmals in dem Geschäft an, worauf wir das Gerät nochmals einpackten und erneut nach Widnau fuhren. Dort veräppelte mein Papa erst mal die Dame hinter dem Tresen, dass wir extra pro Weg 2 Stunden zurückgelegt hätten, nur um an den TV zu kommen, und dann sei erst noch der falsche dabei gewesen. Der anschliessende Umtausch ging ruck-zuck und endlich konnte ich zu Hause das neue Gerät in Betrieb nehmen.

Daheim war bereits alles vorbereitet – mein Vater hatte extra für den TV ein eigenes Antennenkabel in mein Zimmer im oberen Stock gezogen. Die Senderreihenfolge übernahm ich grösstenteils von unserem grossen TV im Wohnzimmer – man will sich ja nicht immer umgewöhnen müssen. Die rund 20 Sender (ja, mehr hatten wir damals nicht) waren im Nu eingerichtet. Auch wenn im Laufe der Jahre Sender kamen und gingen, veränderte sich die Auflistung kaum. Wen es interessiert, hier der letzte Stand der Senderliste, die wohl ca. 2006 aktuell war:

98QUIZ12RTL25HSE
0CH413RTL226B3
1SF114SRTL27WDR
2SF215DSF28NTV
3TVO16EURS29SFUN
4SFI17ERUN30NTV
5ARD18VIVA31CN
6ZDF19MTV32CNN
7ORF120STAR33TSI1
8ORF221K134TSI2
9KIKA22SW35NBC
10SAT1233SAT36RAI1
11PRO724VOX37U1

Beim Quiz handelte es sich um gespeicherte Videotext-Seiten, CH4 diente als Kanal für die via RF-Anschluss versehenen Konsolen. Platziert wurde das gute Stück auf meinem Schreibtisch, wodurch ich aus meinem Bett perfekte Sicht auf den Bildschirm hatte. Dieser zeigte vor allem Sportübertragungen, wie die Montagsspiele der 2. Bundesliga, damals noch auf DSF, oder das tägliche Sport aktuell auf SF2 gehörte zu den Favoriten. Auch die Videotextfunktion wurde eifrig genutzt. Unzählige Male habe ich im Schweizer Teletext mit der Fussballresultatsseite mitgefiebert und gezittert, bis das rote Sternchen verschwand und der Sieg des FC St.Gallen im Trockenen war.

Als ich dann mein Zimmer einige Jahre später mit neuen Möbeln ausstattete und auch vermehrt das Interesse an den alten Spielen wieder aufkeimte, investierte ich in ein neues Eckregal, auf dem das TV-Gerät thronte. Darunter fanden die verschiedenen Konsolen Platz, im Regal daneben die ganzen Module. Die Einschränkung durch nur einen vorhandenen Scartanschluss wurde dank einem Mehrfachstecker schnell behoben. Und so diente mir das Gerät für viele Stunden hochstehender Videospielunterhaltung. Dank seiner Kompaktheit eignete er sich auch vorzüglich für einen Ausflug auf unseren Sitzplatz, wo er auch so manchen Sommertag mit Fussballübertragungen und Videospiel-Vergnügen bereicherte.

Im Jahr 2007 stand dann der Auszug von zu Hause an, natürlich begleitete mich auch der kleine TV auf dieser Reise innerhalb des Ortes. Allerdings fand er sein Plätzchen vorerst in einer unbeheizten Abstellkammer, wo ich meine ganzen Zockerutensilien aufbewahrte. Der Zugang erfolgte durch eine Tür in meinem neuen Gamezimmer. Im Schlafzimmer wurde sein Platz durch einen neuen Flatscreen eingenommen. Aber auch hier durfte er in den Sommermonaten auf dem Balkon sein Plätzchen einnehmen und uns so die eine oder andere Runde Videospiele ermöglichen.

Eine etwas prominentere Rolle sollte er dann tatsächlich an der ersten SwissCON im Jahr 2009 einnehmen. Gleich neben dem Eingang positioniert, wurde er dann auch tatsächlich zum Austragungsort des ersten Turniers an einer SwissCON, nämlich Mario Party 5: Ice Hockey. Der kleine TV blieb auch in den folgenden Jahren fixer Bestandteil einer jeden SwissCON. Oftmals durfte er den prominenten Platz beim Highscore-Turnier einnehmen und fand so das ganze Wochenende über Beachtung. Auch in den Folgejahren war er stets ein wichtiger Bestandteil der SwissCON:

Ein besonderer Höhepunkt war dann auch die NCON 14 im Jahr 2015. Erstmals reisten wir nicht per Bahn an den Anlass, sondern per Bus inkl. Chauffeur. Dank der gestiegenen Kapazität für Gepäck, brachte es mein TV nach fast 20 Jahren endlich zu seinem NCON-Debüt. Mit dabei auch erstmals mein SEGA Mega Drive, das von den Fähigkeiten des Fernsehers gebraucht machte. Und natürlich durfte auch das NES nicht fehlen, auf welchem ich mit NR20 einmal mehr Super Mario Bros. 3 durchspielte.

In den folgenden Jahren nagte jedoch der Zahn der Zeit an dem Gerät. Der Scart-Anschluss wies einen Wackelkontakt auf, dem Bildschirm selber tat die lange Zeit der Nichtnutzung im Keller auch nur bedingt gut. Auf der SwissCON 2017 durfte er einmal mehr das Highscore-Turnier in Form von Paperboy 2 (NES) begleiten und hielt auch tapfer bis am Sonntag durch. Dort allerdings blendete auf einmal das Bild aus und mehr als schwarz war fortan nicht mehr auf die Mattscheibe zu bringen. Zu Hause funktionierte er bei einem Test allerdings wieder tadellos, worauf ich vermutete, dass ihm der Dauereinsatz nicht gut bekommen war.

Ein Jahr später – wir feierten mit der 10. Ausgabe der SwissCON ein Jubiläum – durfte er ebenfalls wieder mit an den Start. Gleich beim ersten Turnier war er im Einsatz, nämlich bei Boxing auf dem Atari 2600. Durch den Wackelkontakt, gepaart mit Deltafighters Rage-Angriffen auf den Tisch, kam es immer mal wieder zu Unterbrüchen. Danach sollte weiter das Highscore-Turnier in Form von Qix (Game Boy) auf dem Gerät laufen. Allerdings begann das Bild bereits wieder vermehrt sich auszublenden, worauf wir auf ein anderes Gerät ausweichen mussten.

Es war der Anfang vom Ende einer langen TV-Karriere. Bei sommerlicher Hitze verzog ich mich 2019 in den kühlen Keller und baute den TV mit einem NES auf und zockte munter NES-Spiele, ohne dass er irgendwie Probleme machte. So entschloss ich mich auch 2019 das Gerät wieder mitzunehmen um den Crazy Taxi-Wettbewerb darauf abzuhalten. Allerdings zeigte der TV bereits bei der Inbetriebnahme, dass es keine gute Idee war und gar nicht erst ein Bild zu sehen war. Somit nahm ich den Fernseher wieder frühzeitig mit nach Hause. Das war dann auch sein letzter grosser Auftritt.

So ruhte das Gerät weiter im Keller in der Hoffnung immerhin für die eine oder andere Retro-Runde zum Einsatz kommen. Im Sommer 2020 versuchte ich ihn im Keller wieder in Betrieb zu nehmen – doch mehr als ein kurzes Ameisenrennen war dem Gerät nicht mehr zu entlocken. Der Screen blendete sich langsam aus und weitere Versuche, das NES-Geschehen auf den Bildschirm zu bringen waren vergebens. Somit musste ich leider einsehen, dass mein treuer Begleiter am Ende seines langen TV-Lebens angekommen war. Am 15. August 2020 gingen wir auf unsere letzte gemeinsame Reise zur Recyclingstelle Ökoville Loacker, wo er im Elektroschrott seine letzte Ruhestätte fand.

Auch wenn das ganze natürlich nicht ganz so sentimental ablief, wie es nun klingen mag, so war der kleine Kasten dennoch ein treuer Begleiter in meinem (Zocker-)Leben. Viel Freude und Frust habe ich mit ihm erlebt, in gemütlicher Runde vor ihm gesessen und so manchen Moment bejubelt. Es sind viele schöne Erinnerungen, die ich meinem kleinen ersten TV-Gerät zu verdanken habe.