Castlevania: Vampire’s Kiss «Der blutrünstige Graf lechzt nach frischem Blut!»

Im Herbst der SNES-Ära veröffentlichte Konami mit Castlevania: Vampire’s Kiss den zweiten Vertreter der Vampirjäger-Serie auf Nintendos 16 Bit-Konsole. Nachdem Super Castlevania IV bereits zum Systemlaunch erschien und ein Remake des ersten Castlevania-Abenteuers darstellte, ist Vampire’s Kiss eine Umsetzung des 2 Jahre zuvor erschienenen japanexklusiven PC Engine-Titels Rondo of Blood. Allerdings setzte man nicht auf einen 1:1-Port, sondern gestaltete das Leveldesign sowie deren Abfolge komplett neu, die Gegnerschaft und Grafiken wurden jedoch übernommen. Der CD-Soundtrack wurde auf den SNES-Soundchip zugeschnitten und die Speichermöglichkeit wich einem Passwortsystem.


Plattform: SNES
Genre: Action/Jump n’Run
Hersteller: Konami / KCEO
Publisher: Konami
Erschienen:
JAP: 21.07.1995
US: Sept. 1995 (als Dracula X)
EU: 22.02.1996

 


Die Verpackung

Das Cover von Vampire’s Kiss basiert auf der japanischen Verpackung, welche jedoch das Artwork hochkant darstellt. Wir sehen im Vordergrund Richter Belmont, der seine Kettenpeitsche grad einem Zerreisstest unterzieht. Bekleidet in seinem blauen, ärmellosen Gewandt zieht aber vor allem sein überaus grosszügiges Haarband die Blicke auf sich, welches die blonde Mähne zu bändigen versucht. Im Hintergrund ist Castlevania – das namensgebende Schloss – zu sehen, welches alle paar Jahre immer mal wieder aus der Erde emporsteigt, was in der Regel mit der Rückkehr des Grafen einhergeht. Dessen Antlitz blickt in stattlicher Grösse hinter dem Schloss hervor, umrandet von dem hinter ihm scheinenden Vollmond und zahlreichen Fledermäusen, die Kurs auf Richters Standort genommen haben. Ebenfalls erwähnenswert ist der schwarze Rahmen, welcher normalerweise die Artworks der SNES-Spiele umgibt, und im Falle von Vampire’s Kiss zu einem grossen Teil in violett gehalten ist – eine nicht allzu häufig existierende Kombination.

Auf der Rückseite wird das Spiel direkt in 6 verschiedenen Sprachen schmackhaft gemacht, damit auch jeder weiss, was hier läuft: «Der blutrünstige Graf ist zurück und er lechzt nach frischem Blut! Hast Du den Mut, sein Schloß zu betreten? Bist du geschickt genug, Dracula in die Ewigkeit zu schicken? Sieben level mit gruseliger, peitschenknallender Action». Klingt ja ganz vielversprechend, und herausfordernd, obschon im letzten Satz – wobei dies ohne konjugiertes Verb auch nicht wirklich ein Satz ist – «Level» durchaus hätte mit grossem Anfangsbuchstaben werden dürfen. Aber egal, viel wichtiger sind die Bilder. Trotz dominierenden blauen und braunen Farbtönen, weiss die Auswahl der violett umrahmten Screenshots zu gefallen und bestätigt die im Text genannten Eindrücke. Etwas überraschend ist jedoch die Tatsache, dass das Spiel bereits ab 3 Jahren freigegeben ist. Wenn man bedenkt was damals alles indiziert wurde, doch eher verwunderlich. Aber ist doch toll, wenn die ganze Familie vereint vor dem TV sitzt und schaut, wie der Sprössling Zombiehorden abmetzelt, Skelette in ihre Einzelteile zerlegt oder der besiegte Werwolf sich in einen nackten Mann zurückverwandelt.


Die Anleitung

Das schicke Bild der Verpackung ziert auch die Front der Anleitung. Aber ich stelle mir nur grad die Frage, wer zum Teufel da das Konami-Logo mit blauem Kugelschreiber besudelt hat? Sieht aus, als ob jemand den Stift auf dessen Funktion überprüfen wollte. Und warum dann dasselbe auf der Rückseite? Naja, egal. Die in insgesamt 6 Sprachen (Englisch, Deutsch, Französisch, Niederländisch, Spanisch, Italienisch) gehaltene Bedienungsanleitung erzählt jeweils auf 12 Seiten alles Wissenswerte zum Spielgeschehen. Der Prolog schildert die Ereignisse, welche zur Vampirjagd führten, im Kapitel Spielverlauf wird alles Wissenswerte erläutert. So zum Beispiel: «Deine Lebenskraft vermindert sich jedesmal, wenn Deine Spielfigur verletzt wird. Wenn eine Spielfigur kein Leben mehr hat, oder wenn sie in einen bodenlosen Abgrund fällt, muss die Spielfigur das Spiel verlassen.» Seltsamerweise ist bei mir Richter Belmont aber immer im Spiel geblieben. Weitere Kapitel werden der Steuerung und Bildanzeige, den Items, den Hauptprotagonisten und auch den verschiedenen «Stufen» gewidmet. Mindestens ebenso interessant sind jedoch die «NOTES»-Seiten, welche Platz für Notizen bieten. Warum nicht gleich direkt vorgefertigte Kästchen für die Passworteinträge spendieren? Viel anderes gibt’s ja wohl kaum zu notieren.


Das Spiel

Mehrere 100 Jahre nachdem Simon Belmont Dracula besiegt hatte, rafften sich die Anhänger des Grafen zusammen und dem Fürsten der Finsternis wieder auferstehen zu lassen. Um sich am Belmont-Clan zu rächen, entführte er kurzerhand Anette, die Freundin von Simons’s Urenkel Richter, und deren jüngere Schwester Maria, die er beide in seinem Schloss einsperrte. Richter griff ganz im Sinne der Familientradition zur weitervererbten Peitsche um Dracula ein für alle Mal zu vernichten.

Das Spielgeschehen orientiert sich dabei ganz an den Serienvorgängern: Richter peitscht sich durch in mehrere Abschnitte aufgeteilte Monsterhorden, tätigt waghalsige Sprünge und liefert euch schweisstreibende Kämpfe mit Obermotzen. Steter Begleiter ist dabei eure Peitschte, auch bekannt als Vampire Killer. Im Gegensatz zu früheren Teilen könnt ihr diese nicht weiter aufrüsten, sondern bleibt stets in derselben Form. Dazu gesellen sich die altbekannten Extrawaffen wie Axt, Degen, Kreuzbumerang, Uhr und Weihwasser, die durch Einsatz von sammelbaren Herzen eingesetzt werden können und alle unterschiedliche Eigenschaften besitzen. Die Axt beispielsweise macht mächtig Schaden und fliegt in hohem Bogen durch die Luft, das Kruzifix fliegt gerade aus, und kehrt anschliessen zu Richter zurück, und das Weihwasser setzt kurzzeitig den Boden in Brand. Zusätzlich habt ihr mit genügen Herzen die Möglichkeit eine extrastarke Spezialattacke auszulösen. Herzen erlangt ihr durch das besiegen von Gegnern oder natürlich serientypisch versteckt hinter Kerzen oder brüchigen Mauern.

Als Gegnerschaft dient einmal mehr ein Best-Of des Gruselkabinetts. Fledermäuse, Zombies, Skelette in verschiedensten Variationen, gepaart mit Rittern, Medusaköpfen und auch dem einen oder anderen fiesen Zwischengegner. Jedes Ende einer Stage wird natürlich von einem Endgegner beheimatet, der mit der richtigen Taktik besiegt werden will. Alle davon werdet ihr aber nicht in einem Durchmarsch erleben, da es unterschiedliche Wege bis zum Finale mit Dracula gibt. Je nachdem ob ihr an gewissen Stellen eine andere Richtung einschlagt oder auch mal versehentlich irgendwo hinunterfällt, nimmt das Abenteuer einen anderen Verlauf. Und auch die Rettung der beiden Schwestern hängt davon ab, welchen Weg ihr nehmt und ob ihr überhaupt ihre Aufenthaltsorte aufspürt. Insgesamt 10 verschiedene Stages bietet das Spiel.

Wie es sich für einen Castlevania-Titel gehört, bietet das Spiel einen fantastischen Soundtrack. Alte und neue Tracks wurden frisch aufbereitet und verwöhnen die Ohren mit einigen der besten Stücke, die das SNES je ausgegeben hat. Selbst die famosen Stücke der CD-Vorlage vermag Vampire’s Kiss locker in die Tasche zu stecken. Grafisch überzeugen die detailierten Sprites mit schicken Animationen, dafür sind die Hintergründe teils etwas weicher gehalten, können aber dennoch überzeugen. Die Steuerung wurde nach einigen seltsamen Entscheidungen in Teil IV wieder auf die bewährte NES-Kontrolle angepasst. Als zusätzliches Element wurde – neben dem bereits angesprochenen Spezialangriff – auch der Rückwärtssalto hinzugefügt, was bei den dynamischen Kämpfen als schneller Rückzug dienen kann.


Seppatoni & Castlevania: Vampire’s Kiss

Seit dem NES bin ich grosser Anhänger der klassischen Castlevanias. Während mich Super Castlevania IV nie wirklich überzeugen konnte, stellte Vampire’s Kiss hingegen das lange vermisste vollwertige Castlevania für das SNES dar. Erstmals davon gehört hatte ich dank dem Review in der TOTAL! 09/95, in der folgenden Ausgabe fand sich dann der Test, der mit einer 2- durchaus gut abschloss.

Gekauft habe ich es allerdings erst deutlich später, als ich es in der Manor Filiale in Haag entdeckte und es auch nicht mehr zum Vollpreis ausgeführt war. Also schnell dem Personal Bescheid gegeben, die das Spiel für mich aus dieser schwenkbaren Wand befreiten und feierlich gegen Bezahlung überreichten.

Zu Hause das Spiel eingelegt und die Begeisterung nahm ihren Lauf. Die Verfolgungsjagd mit einem riesigen Monster gleich in der ersten Welt, vor der in Flammen stehenden Stadt als Kulisse, war schon mal äusserst beeindruckend. Ab der zweiten Stage gesellten sich auch noch die fantastischen Neuinszenierungen altbekannter Musikstücke aus den NES-Teilen hinzu, wo ich manchmal einfach nur da sass und den Stücken zuhörte.

Die klassische Castlevania-Action riss mich mit, die schon aus Teil 3 bekannten unterschiedlichen Routen zum Ziel mussten hier nun selber erarbeitet werden. Und motivierten mich unzählige Male zum Durchspielen. Eine Stage blieb mir sogar für Monate vorenthalten, bevor ich sie zufällig entdeckt hatte. Natürlich wollten auch alle möglichen Abspannvarianten gesehen werden. Mal mit Anette, mal nur mit Maria, mal mit beiden oder auch alleine mit Richter. Auch inhaltlich gab es dazu bei einem bestimmten Boss Änderungen. Irgendwann kannte ich das Spiel in- und auswendig und zockte es auch mit einem einzigen Leben durch. Ich empfand das Spiel nie als so schwer oder gar unfair, wie es von mancher Seite bezeichnet wurde.

Als ich irgendwann auf Twin Galaxies aufmerksam wurde und sah, dass es zu Castlevania: Vampire’s Kiss noch keinen Rekord gab, zeichnete ich kurzerhand einen Run auf und sandte diesen an den zuständigen Schiedsrichter. Nur war dieser leider nicht in der Lage mein auf CD gebranntes Video abzuspielen und so wurde leider nichts aus dem geschenkten Weltrekord.

Als der Titel dann für die Wii Virtual Console veröffentlicht wurde, stürze ich mich natürlich erneut in die Vampirjagd. Und vor wenigen Tage wagte ich den Gang in den Keller und erblickte in einer Kiste die Verpackung und schon hatte ich mich für den nächsten Kandidaten für diese Rubrik entschieden. Allerdings hatte ich nach all den Jahren durchaus das eine oder andere Problem wieder rein zukommen. Das Spiel entpuppte sich als wesentlich härtere Nuss als in der Erinnerung. Viele Fallen und knifflige Passagen hatte ich längst verdrängt, und so musste ich mich wieder Schritt für Schritt in das Spiel reinkämpfen. Aber an der Faszination der Reihe und dem grandiosen Spielerlebnis hat sich bis heute nichts geändert. Auch wenn ich die PC Engine-Vorlage, die ich in der Zwischenzeit ebenfalls mein Eigen nenne, noch etwas höher Einstufe.