Unirally Rennspektakel auf einem Rad

Was auch immer die Leute von DMA Design auf die ausgefallene Idee brachte, ein Rennspiel mit Einrädern in 2D und Renderoptik zu kreieren, es hat uns eines der abgedrehtesten Rennspiele beschert. Die verrückte Spielidee sorgt für einen Titel mit Kultpotenzial, das leider durch ein abruptes Verkaufsverbot gestoppt wurde. Welche Gründe dahinterstecken und was Modul zu bieten hat, das schauen wir uns mal genauer an.


 

Plattform: SNES
Genre: Rennspiel
Hersteller: DMA Design
Publisher: Nintendo
Spieler: 1-8
Erschienen: 27. April 1995 (Europa)

 

 


Die Verpackung

Ein rotes Einrad flitzt mit nach vorne gebeugtem Sattel einem gelben Exemplar hinterher. Und dies auf einer bunt gestreiften, äusserst schmalen Piste. Mit Blick in den Hintergrund scheint diese kein Ende zu nehmen, im Gegenteil: Man sieht Loopings, Kopfüber-Passagen und schleimige, tropfende Abschnitte. In bananengelben, comichaften Lettern steht der Name des Spiels geschrieben: Unirally. Veredelt wird mein Exemplar noch durch den dezenten Sticker, welcher den Betrachter darauf aufmerksam macht, dass es sich um ein neues Spiel handelt.

Die Rückseite zeigt sich nicht mehr ganz so verspielt. Vier unspektakulär wirkende Screenshots geben einen Einblick in das Spielgeschehen, Texte in Englisch und Französisch weisen daraufhin, dass ich damals kein deutsches Exemplar ergattert habe. Was verwundert: Der Hinweis zur niederländischen Anleitung ist auf der Vorderseite in Niederländisch gedruckt, für die Beschreibung auf der Rückseite musste Englisch ausreichen.


Die Spielanleitung

Da auch meine Anleitung in Niederländisch gehalten ist, greife ich hierzu auf das grossartige SNES Manual Project zurück. Im englischen Original tobte sich der verantwortliche Steve Hammond aus und brachte einige schräge und witzige Texte zu Papier, die in krassem Gegensatz zu den gängigen Anleitungen standen. Der Stil wurde auch für die deutsche Übersetzung beibehalten. In frechen, aber etwas langen gehaltenen Erklärungen wird das ganze Spektakel vorgestellt, dabei ergänzt von vorgerenderten Artworks. Sogar der SNES-Controller für die Steuerungsangaben wurde in schickem 3D modelliert. Aber ja, seht am besten selbst:

Nicht unerwähnt bleiben soll das ebenfalls beiliegende Tipps & Tricks-Poster. Auf beiden Seiten werden euch die Layouts verschiedener Strecken vorgestellt. Am besten direkt gut einprägen, das wird später auf jeden Fall sehr hilfreich sein.


Das Spiel

Der Legende nach langweilte sich der mächtige Unigott gar fürchterlich, wollte aber irgendwie die Göttinnen beeindrucken. Er zog sich zurück und grübelte, bis ihm DIE Idee kam: Einräder! Vereint in einem ultimativen Rennen! So zumindest erzählen es sich die Unicycles bis heute.

Und damit sind wir auch schon beim Spiel selber: Einrad-Rennen! Doch wer erwartet hat, einfach ein paar Runden im Kreis zu drehen, der irrt sich. Unirally findet komplett in der Seitenansicht statt. Die Einräder flitzen nach links oder rechts, oben oder unten, können springen und sogar Kunststückchen ausführen. Dies ist ein elementarer Bestandteil des Gameplays. Vollführt ihr irgendwelche Stunts, werdet ihr mit einem Geschwindigkeitsboost belohnt. Umso spektakulärer die Aktion, desto schneller wird euer Gefährt.

Doch wer jetzt meint, er könne permanent irgendwelche Kunststückchen präsentieren, der wird schnell auf die Nase fallen. Die Strecken winden sich in alle möglichen Richtungen, halten Hindernisse bereit und warten mit halsbrecherischen Sprungschanzen auf die Unicycles. Hierbei helfen euch die Farben der Piste: Auf Abschnitten in Blau und Gelb etwa kann bedenkenlos gerast und gesprungen werden, bei Rot und Blau hingegen droht die Strecke einen anderen Verlauf zu nehmen, von einem Verlassen der Piste ist hier dringend abzuraten.

Die Strecken sind auf insgesamt 8 Tours mit je 5 Rennen aufgeteilt, einige davon werden erst mit Fortschreiten des Spiels freigeschaltet. Die Rennen sind dabei unterschiedlichen Kategorien zuzuordnen. Auf den Speed-Strecken düst ihr einfach über eine relativ flache Piste von links nach rechts, in Stunt-Parcours müsst ihr mit Kunststücken möglichst viele Punkte erzielen, und Rundstrecken lassen euch mehrere Runden auf einem turbulenten Kurs absolvieren.

Dabei tretet ihr (im Singleplayer) stets gegen ein CPU-Einrad an. Erreicht ihr vor dem Kontrahenten das Ziel, gibt’s einen Haken hinter das Rennen. Schafft ihr es alle Missionen einer Tour erfolgreich abzuschliessen, erhaltet ihr die Medaille der entsprechenden Schwierigkeitsstufe. Diese beginnt bei Bronze, steigert sich zu Silber und findet mit Gold die Krönung. Während bei Bronze auch noch gröbere Fehler verziehen werden, werden diese bereits bei Silber schnell bestraft. Wer auf Gold erfolgreich sein will, der muss die Strecken aus dem FF kennen.

Das Herzstück von Unirally – in den USA übrigens als Uniracers erschienen – ist jedoch zweifellos der Multiplayer-Modus. Neben dem normalen 2-Spieler-Modus mit 2 menschlichen Spielern im direkten Duell, wartet hier auch der VS.-Modus. Der Gewinner des ersten Rennens bleibt so lange dabei, bis er selber von jemandem geschlagen wird und dieser das Geschehen übernimmt.

Der Partykracher schlechthin ist allerdings der League-Modus. Bis zu 8 Spieler können hier (jeweils in mehreren 2er-Duellen) gegeneinander antreten und sich auf den abgefahrenen Pisten die Bestzeiten streitig machen. Aus 16 verschiedenfarbigen Einrädern können sich die Spieler ihr Exemplar aussuchen und sogar einen eigenen Namen verpassen (nennt doch mal eines SEGA oder Sonic…) . Dank Batteriespeicher bleiben diese – ebenso wie die Ligen, Spielfortschritt und Bestzeiten – erhalten.

Technisch überzeugt das Spiel mit den gerenderten Einrädern. Die äusserst detailliert animierten Sprites (nur schon für eine Pedale gibt es 16 Animationsphasen) erwecken die Metallgestelle zum Leben und vermitteln gekonnt Ausdrücke ihrer Stimmung. Der Rest des Renngeschehens ist simpel gehalten, sorgt damit aber für die entsprechende Übersicht. Musikalisch wird das Geschehen von rockigen Gitarrenklären geprägt und erinnert an Rock n’Roll Racing.

In Sachen Steuerung gibt es nichts zu bemängeln: Diese ist äusserst einfach gehalten und erleichtert den Einstieg für jeden Mitspieler. Links und rechts für die Richtung, ein Knopf für den Sprung, und die restlichen für einzelne Stunts. In Sachen Umfang wird mit 40 Strecken einiges geboten, dank den 3 Schwierigkeitsstufen werden auch etliche Stunden vergehen, bis auch das letzte Rennen gemeistert ist. Und mit dem genialen Multiplayer-Modus, wächst der Spielspass schier ins Unendliche.

Mit Unirally lieferten DMA Design und Nintendo ein ausgefallenes und innovatives Rennspiel, das bis heute aus der Masse heraussticht. Selbst wer herkömmlichen Racern nicht viel abgewinnen konnte, sollte den Titel unbedingt mal gespielt haben – am besten zusammen mit ein paar Freunden.


Ein schnelles Ende

Das Leben von Unirally dauerte leider nicht allzu lange: Pixar hatte DMA Design verklagt, weil das im Spiel dargestellte Einrad eine zu grosse Ähnlichkeit mit dem Exemplar aus dem Pixar-Kurzfilm Red’s Dream von 1987 aufwies. DMA modellierte das Unicycle nach einem echten Einrad (und nutzte dieses im Büro auch zu Probefahrten, was entsprechende Spuren an der Einrichtung hinterliess).

Es gab es nicht viele andere Möglichkeiten, ein digitales Einrad darzustellen, dennoch gab das Gericht dem Filmunternehmen recht. Nintendo musste die Produktion des Moduls einstellen. Am Ende wurden nur die 300’000 Spiele des ersten Produktionsloses verkauft.


Seppatoni vs. Unirally

Dass ich von der Existenz dieses Spiels wusste, hatte primär Videospielmagazinen zu verdanken. Der Bericht in der Club Nintendo Ausgabe 2 – 1995 verriet aber nicht allzuviel, sondern wirkte wirkte für Unwissende mit dem Tipps & Tricks-Beitrag eher kryptisch.

Ganz anders bei der TOTAL!. In der Ausgabe 06/95 wurde Unirally getestet und sogar mit einem TOTAL!-Genial-Gütesiegel prämiert. Dazu schaffte es der Titel auf das Titelbild. Im Herbst 1996 folgte ein Wettbewerb für die Leserschaft: Die Jagd nach der Bestzeit war eröffnet. Auf verschiedenen Strecken durften die Teilnehmer ihre Bestzeit abliefern und den aufgezeichneten Versuch auf einer VHS-Kassette an die Redaktion senden.

Ich selber nahm daran nicht teil, aus dem einfachen Grund, dass ich das Spiel gar nicht besass. Erst Anfang der 2000er, als bei mir die Sammelleidenschaft ausgebrochen war, erwarb ich ein Exemplar. Doch das verschwand vorerst in der Kiste bei den anderen SNES-Spielen. Gespielt hatte ich es nur via Emulatoren und Flashcards, wobei der Funke nie so richtig übersprang. Dazwischen gelangte ich an einen Prototypen von Uniracers, den ich jedoch nie wirklich gespielt hatte.

Nochmals fast 20 Jahre später hielt ich die Verpackung wieder in der Hand und hatte auch Bock, das Spiel endlich auch mal als Original zu spielen. Als ich das Modul entnahm, staunte ich nicht schlecht: Es war nicht Unirally, das sich darin befand, sondern Disney’s Aladdin. Tolles Spiel, das ich selber auch noch nicht hatte, aber da wurde damals vermutlich seitens Verkäufer etwas verwechselt. Und nun, nochmals ein paar Jahre später, bin ich zufällig über ein Modul gestolpert, das ich bei dieser Gelegenheit dann für wenig Geld erworben habe.

Und das landete dann auch relativ schnell im Modulschacht meines SNES. Das simple, aber fesselnde Spielprinzip motiviert ungemein, wird aber ab der Silberstufe auch bereits recht knifflig. Kenntnisse der Kurse und der Stellen, wo Stunts ausgeführt werden können, sind entscheidend für erfolgreiche Rennen. Dadurch, dass die Rennen selber nicht allzu lange dauern, kommt auch bei einem Scheitern kein Frust auf, sondern man will eher „nur noch einen Versuch“ absolvieren.

Der Knüller ist aber der Multiplayer-Modus. Egal ob zu zweit, oder im Liga-Modus mit bis zu 8 Spielern, geht auf der Jagd nach der Bestzeit die Post ab. Ein grossartiger Titel, der aufgrund des simplen, aber packenden Spielprinzips perfekt für eine gesellige Runde geeignet ist.