Wir schreiben das Jahr 1984. Nintendos erste Heimkonsole, das Famicom, war rund ein Jahr auf dem Markt. Shigeru Miyamoto und Toshihiko Nakago hatten bereits mehrere Entwicklungen für das NES und Arcade-Automaten umgesetzt und gerade ihre Arbeiten am Motorrad-Rennspiel Excitebike abgeschlossen hatten, als sie sich dem nächsten Projekt zuwandten. Mit Kazuaki Morita stiess ein neuer Entwickler zum Team. Bevor sie mit Super Mario Bros. einen Meilenstein der Videospielgeschichte schaffen sollten, kreierten sie einen weiteren Klassiker: Ice Climber.
Vs. Ice Climber (Arcade, 1984)
Sein Debüt feierte Ice Climber jedoch nicht als Titel für das Famicom, sondern in den Spielhallen Nordamerikas. Im Oktober 1984 erschien Ice Climber für das Nintendos VS. System, Japan sollte im Februar 1985 folgen.
Vs. Ice Climber kann alleine oder auch zu zweit im simultanen Multiplayer-Modus gespielt werden. Ausgerüstet mit einem Hammer ist das Ziel 24 herausfordernde und frei wählbare Gipfel zu erklimmen. Die beiden Charaktere Popo (in Blau, Spieler 1) und Nana (in Pink, Spieler 2) können entweder zusammenarbeiten oder sich auch gegeneinander ein Wettrennen an den Gipfel liefern. Die Entscheidung bleibt den Spielern überlassen.
Der Weg auf die Bergspitzen erstreckt sich jeweils über 8 eisige Etappen und ist gespickt mit tückischen Hindernissen. Auf dem Weg nach oben versperren Eisblöcke den Weg, die mit einem gezielten Sprung mit dem Hammer weggeräumt werden können. Manche Ebenen schicken euch wie ein Förderband direkt wieder Richtung Abgrund, umherziehende Wolken dienen als Plattformen und auch unzerstörbare Blöcke erschweren euch den Aufstieg. Dazu bläst euch in manchen Stages ein heftiger Wind um die Ohren.
Ebenso trefft ihr auf unliebsamen Wesen, welche keine Eindringlinge dulden. Der pinke Vogel Nitpicker fliegt wild über das ganze Level, lasst euch nicht von ihm pieksen. Der Polar Bear erscheint, wenn ihr euch längere Zeit in den selben Ebenen aufhält. Mit einem Sprung lässt er den Screen nach oben scrollen und alles am unteren Bildschirmrand im Abgrund verschwinden. Bleibt noch ein flauschiges Yeti-Pelzknäuel namens Topi. Dieser Gegner wacht über seine Ebene, bei dessen Rundgängen entdeckte Löcher im Boden werden umgehend mit neuen Eisblöcken geschlossen. Dies kann für Popo und Nana sowohl hilfreich, wie auch hinderlich sein. Exklusiv in der Vs.-Edition gibt es auch eine Biene, welche bewaffnet mit einem Speer Jagd auf die beiden Bergsteiger macht.
Schafft ihr es die 8 Ebenen erfolgreich zu meistern, winkt euch die Bonus Stage. In diesem letzten Abschnitt vor der Bergspitze gilt es innerhalb eines Zeitlimits von 40 Sekunden den Gipfel zu erklimmen. Zudem wartet allerlei Obst und Gemüse darauf, von den Ice Climbers eingesammelt zu werden und sorgen für einen ordentlichen Punktezuwachs. Ganz oben angelangt, fliegt ein Kondor um die Bergspitze herum. Schafft ihr es, euch an dessen Krallen zu hangeln, winkt nochmals eine grosse Extraportion an Punkten und ein glücklicher Ice Climber im Punktescreen. Wer alle 24 Stages gemeistert hat, auf den wartet beim zweiten Durchgang ein Schmetterling anstelle des Kondors.
Neben dem Release als normales Arcade-Cabinet, wurde Vs. Ice Climber auch als Dual-Variante mit zwei Monitoren und zwei separaten Münzeinwürfen veröffentlicht.
Ice Climber (NES, 1985)
Am 30. Januar 1985 – und damit nur wenige Tage vor der Arcade-Version – wurde Ice Climber in Japan als Modul für das Famicom veröffentlicht. Die USA, im ersten Schritt New York, kamen am 18. Oktober 1985 zusammen mit dem Launch des NES in den Genuss des Moduls. Europa musste sich noch bis 1986 gedulden, ehe auch hier im September zusammen mit der Veröffentlichung der Konsole das Spiel den Weg nach Europa fand. Doch nicht nur das, es gab sogar ein Bundle, bei welchem Ice Climber direkt der Konsole beilag. Und extra für den deutschsprachigen Raum wurde der blaue Climber Popo in Pepe umbenannt.
Im Vergleich zur Spielhallen-Version gab es einige Änderungen bei der Konsolenumsetzung. Die Anzahl Levels wurden von 24 auf 32 erhöht, der Wind als erschwerendes Element wieder abgeschafft und mit der die Biene wurde ein Gegner gestrichen. Auch der Schmetterling als Kondor-Ersatz in späteren Levels war nicht mehr vorhanden. Etwas weiter ging man noch in Japan: Wuschelknäuel Topi wurde dort durch eine blaue Robbe ersetzt.
Dazu fiel die freie Wahl des nächsten Levels weg, dafür darf zumindest der Startberg im Titelbild bestimmt werden. Auch beim Leveldesign hat sich etwas getan, dieses fällt insgesamt etwas einfacher aus als bei der Arcade-Variante. Und auch die Musikstücke wurden etwas modifiziert.
Am Ablauf und Spielprinzip hat sich jedoch nichts geändert. Wahlweise alleine oder zu zweit müssen wieder fleissig Berggipfel erklommen werden, mit den Hämmern Wege freigeklopft und verstreute Leckereien gesammelt werden. Die NES-Variante war ein Hit und verkaufte sich rund 1,5 Millionen Mal weltweit.
Ice Climber (NEC-PC8801 und Sharp X1, 1985)
Die Abenteuer von Popo und Nana blieben jedoch nicht nur Nintendo-Zockern vorbehalten. Verantwortlich dafür war Hudson Soft, welche sich die Rechte gesichert hatten, ausgewählte Nintendo-Titel für Heimcomputer in Japan umzusetzen.
Die Systeme PC8801 von NEC und der Sharp X1 gehörten zu den meistverkauften Computern Japans und wurden im November 1985 mit einer Umsetzung des NES-Hits beglückt. Allerdings waren beide Umsetzungen der NES-Variante in spielerischer wie technischer Hinsicht unterlegen.
Ice Climber (FDS, 1988)
Am 18. November 1988 fand Ice Climber auch Aufnahme in das Spielerepertoire des Famicom Disk Systems, einem Add-on für die 8-Bit-Konsole. Der Titel war ausschliesslich über die sogenannten Disk Writer erhältlich, über welche man im Handel neue Spiele auf seine wiederbeschreibbaren Disks laden konnte.
Bei Ice Climber handelte es sich jedoch nicht um einen simplen Port des NES-Titels, sondern um eine Umsetzung des Arcade-Abenteuers. 4 Jahre nach dem Release konnte Vs. Ice Climber nun also auch am heimischen TV gespielt werden. Nahezu alle Elemente der Spielhallen-Vorlage wurden übernommen, auch Topi feierte nun endlich sein Debüt auf dem Famicom. Einziger Unterschied zum Original ist die Biene, welche durch einen blauen Vogel ersetzt wurde.
Climber (Game & Watch, 1986/1988)
1986 brachte Nintendo das erfolgreiche Konzept auch im Handheldformat auf den Markt. Unter dem Namen Climber wurde der LCD-Plattformer als Teil der Crystal Screen-Reihe exklusiv im Westen veröffentlicht. Wesentlich erfolgreicher war die New Wide Screen-Variante, welche 1988 ebenfalls nur ausserhalb Japans veröffentlicht wurde. Auch wenn offiziell nie bestätigt oder dementiert wurde, dass Climber und Ice Climber zur selben Reihe gehörten, weisen die Titel – nebst dem Namen – viele Gemeinsamkeiten auf.
Ihr schlüpft dabei in die Rolle eines Jungen namens Climber, der den Block Mountain besteigen will um Krieger zu werden. Die nötige Ausrüstung erhält er dabei von seinem Mentor Lord Meiji: Sprungkräftige Stiefel, eine Rüstung, welche steinerne Decken durchbrechen kann und ein Stirnband, das ihm den Weg zum Schwert zeigen soll, um Dragalo, den Drachenwächter des Berges, besiegen zu können.
Auf eurem Weg auf den Gipfel kriegt ihr es mit den Blockman zu tun, Bewohner der Bergregion. Sie marschieren auf den verschiedenen Ebenen herum und verwandeln sich in steinerne Plattformen, wenn sie einen Abgrund erreichen. Eyerom ist das Haustier der Blockmans, er fliegt durch die Luft und hat es auf Eindringlinge abgesehen. Dazu warten weitere Hindernisse wie dornige Pflanzen oder bewegliche Plattformen.
Spielerisch basiert das Geschehen auf dem Spielprinzip von Ice Climber. Ihr haut Blöcke über euch weg, um auf die höherliegenden Etagen zu gelangen und weicht den genannten Gegnern aus. Am Ende der ersten 4 Stages wartet Hentori, ein Vogel und Freund von Lord Meiji, auf Climber. Ihr habt 2 Versuche um euch mit einem gut getimten einem Sprung an die Krallen des Flatterviechs zu heften und euch so einen Bonus zu sichern. In der 5. Welt wartet dann bereits das Schwert und der erwähnte Dragalo auf euch.
Bei einem Erfolg startet das Spiel in einem neuen, schwereren Durchgang. Dieser kann auch mittels einem Cheat direkt erreicht werden: Dazu muss der Jump- und der Game-Button gleichzeitig gedrückt werden.
Gastauftritte
14 Jahre nach dem letzten Lebenszeichen der beiden Ice Climbers, kehrten sie auf dem GameCube überraschend für den zweiten Teil von Nintendos Hitserie Smash Bros. zurück. In der herrlich chaotischen Klopperei der Videospielprominenz treten Popo und Nana als Duo auf und mischen das Roster mit ihrem einzigartigen Kampfstil auf. Verantwortlich dafür war Masahiro Sakurai, der ein wichtiges Element beibehalten wollte: Das Sprungverhalten der Ice Climbers, das gerade horizontal recht eingeschränkt war. Es folgten auch Auftritte in den Smash Bros-Teilen für die Wii (inklusive dem Polarbär als auftauchender Gegner und eine Demoversion des originalen Ice Climber) und die Nintendo Switch, dank derer die beiden Kletterer auch heute noch einem grossen Publikum bekannt sind. Lediglich für die Umsetzungen für WiiU und 3DS mussten die beiden passen, die Hardware des 3DS war zu schwach um die Aktionen beider Ice Climbers handeln zu können.
Bei ihren Prügelauftritten hatte das hammerschwingende Duo auch immer passende Stages im Schlepptau, dazu kamen auch Abschnitte in den Storymodes, welche Plattformelemente mit Prügeleinlagen mischten. In Form von Stickers, Trophies und Geistern schafften es auch weitere Charaktere der Ice Climber-Reihe zu Auftritten in den Smash Bros.-Spielen. Und natürlich folgte auch eine Sammelfigur in Form des amiibos.
Doch auch abseits der Prügelei gab es immer wieder Gastauftritte oder Anspielungen auf Pepe und Nana. In den Wario Ware-Teilen gab es mehrere auf Ice Climber basierende Minispiele, im Twisted-Teil sogar mit aufgehübschter Optik. Bei Tetris DS gab es ebenfalls einen Abschnitt, welcher ganz den Climbers gewidmet war. Und in Mario Maker (WiiU) und Legend of Zelda: Triforce Heroes (3DS) konnte man Kostüme der Ice Climbers freispielen.
Wiederveröffentlichungen
Nach der Veröffentlichung des letzten Spiels dauerte es 13 Jahre, bis Ice Climber wieder auftauchte. Und zwar als Spiel im japanischen Titel Dōbutsu no Mori für den GameCube, das 2002 auch im Westen unter dem Namen Animal Crossing erscheinen sollte. In der populären Lebenssimulation konnte man unter anderem NES-Konsolen inklusive Spiel sammeln. Doch dabei blieb es nicht, die Klassiker konnten auch gespielt werden, wahlweise auch via Linkkabel auf dem GBA. Auch Ice Climber war in Animal Crossing enthalten, konnte jedoch auf normalem Weg nicht freigeschalten werden. Dafür war ein inoffizielles Hilfsmittel wie das Action Replay notwendig.
Im selben Jahr folgte die Veröffentlichung von Ice Climber in Kartenform für den eReader, einem Zubehör für den Game Boy Advance. Mit diesem konnte der Code auf den Kärtchen eingelesen und das Spiel auf dem Handheld gezockt werden. Es folgte auch eine weitere Veröffentlichung als Modul im Rahmen der NES-Classic Serie, ebenfalls für den GBA.
Dank Internetzugang war Ice Climber in den folgenden Jahren Stammgast auf den aktuellen Systemen. Sei es als Titel für die Virtual Console (Wii, 3DS, WiiU) oder im NES-Portfolio von Nintendo Switch Online. Auch auf dem 2018 veröffentlichten NES Classic war Ice Climber enthalten.
Der Spielhallen-Titel Vs. Ice Climber durfte sich auf der Switch ebenfalls über eine Wiederveröffentlichung als Downloadtitel freuen. Im Rahmen von Hamsters „Arcade Archive“-Reihe wurde der Titel um neue Spielmodi und ein Online-Ranking erweitert. Allerdings wurde hier die Biene als Gegner ersatzlos gestrichen, Gründe sind nicht bekannt.
Bleibt noch das Game & Watch Climber. Dieses gab es in der Game & Watch Gallery 3 (GBC) bereits als freispielbaren Titel im Museum. Doch erst mit dem Nachfolger G&W Gallery Advance (GBA) konnte der Museumstitel dann auch gespielt werden. 130 erspielte Sterne waren für das Freischalten nötig.
Ice Climber Comeback?
Zwar gab es im Laufe der Zeit immer mal wieder einzelne Gerüchte über ein neues Ice Climber-Spiel, bewahrheitet hat sich aber keines. Für das N64 wurde seinerzeit ein Spiel namens Climber angekündigt, das bald darauf gecancelte Spiel stammte aber nicht von Nintendo und hatte auch nichts mit der Reihe zu tun. Fans wie die Iceboys12 oder The Regressor liessen sich trotzdem davon inspirieren und kreierten eigenes Material mit ihren Vorstellungen von Ice Climber 64 oder gleich Ice Climber 2 für die WiiU. Für den ZX Spectrum bastelten russische Tüftler 1996 eine eigene inoffizielle Version mit neuer Musik und neuen Levels.
Die Chancen auf ein Comeback sind äusserst gering, der Auftritt in der Smash Bros. Reihe sorgte für einen kurzen Hoffnungsschimmer, mehr war da leider nicht.
Doch wie könnte Ice Climber im Jahr 2023 aussehen? Das Original spielte grad mit 2 Spielern seine Stärken aus. Ein Multiplayer-Titel mit Co-Op-Bergsteigen, das je nach Lust und Laune auch in ein Wettkampf ausarten kann, dürfte durchaus seinen Reiz haben. Ob das Nintendo ebenfalls so empfindet, bleibt abzuwarten. Bis dahin schnüren wir nochmals unsere Winterstiefel, schnappen uns unsere Holzhammer und machen und auf den Weg auf die bewährten Gipfel.